Foodpacks zu Ostern

07.04.2018

Durch einen Freund wurde ich auf ein Projekt aufmerksam gemacht welches jedes Jahr zu Ostern in die Armenviertel von Cali fährt um dort den Menschen in Form von kleinen Mahlzeiten und Getränken etwas Gutes zu tun.

Ich setzte mich mit einer der Organisatorinnen in Verbindung, denn mir gefiel der Gedanke. Und so kam es, dass ich am Morgen des 30.03 mit einer Freundin im Innenhof eines Gebäudekomplexes stand und mit ca. 30 anderen, überwiegend Jugendlichen, das Verteilgut für den Tag vorbereitete. Das Ganze lief erstaunlich organisiert und geordnet ab. Es wurden Tische aufgestellt und los ging es. Gib ihm! Butter auf das Brot, Schinken drauf, mit Käse überdecken, verpacken und ab in die Tüte. Über 1000 Brote wurden so im Laufe des Tages vorbereitet. Nebenbei wurden noch einige hundert Liter Wasser mit Orangensaftkonzentrat vermischt und in große Behältnisse umgefüllt. Die Lage war entspannt und ausgelassen. Für viele war es, wie für mich auch, die erste Teilnahme an diesem Projekt.

Gegen Mittag wurden dann alles auf einen Transporter aufgeladen. Dann wurden wir nochmal instruiert. Keine Wertsachen und Augen auf! Mit Polizeieskorte ging es dann auf der Ladefläche des Transporters in die Viertel.
Erster Stop Sucre. Ich wusste von Erzählung das es hart wird und das Geschehene auch voll bestätigt. Das erste was mir beim Einfahren aufgefallen ist war der Gestank der einem in die Nase schoss. Eine Mischung aus Urin, Dreck und Verwesung. Die Häuser, wenn man das so nennen kann, waren runtergekommen bis auf den letzten Stein und ähnelten Bildern aus dem Krieg. An sich ist ein Großteil der Häuser auch nicht bewohnt, die Menschen leben meist auf der Straße. Als unsere Kolonne erblickt wurde, kamen die Menschen von überall her geströmt, ja fast schon angerannt.

Auch Kinder waren darunter. Verdammte scheiße, ich wusste es und trotzdem trifft es mich mitten ins Herz. Der Gedanke das bei uns Kinder dem Eismann hinterherrennen, und hier dem Hilfstransport mit Essen, lassen mich viel nachdenken, ja lassen mich sogar die ein oder andere Träne schlucken. In was für einer Welt leben wir?! Das wir die schwächsten einer Gesellschaft so im Stich lassen!
Lasst euch klar sein, die Kinder sind die wahren Opfer dieser Tragödie. Ich will nicht wissen, was sie über mich denken, ich schäme mich... Ich schäme mich für mein Sein für diese Ungerechtigkeit. Die Kinder und Jugendlichen haben keine Möglichkeit, sie können nichts für ihr Sein und was passiert? ... sie werden vergessen. Vergessen von der Stadt, vergessen von dem Land, vergessen von der Welt. Vergessen in einem Viertel, geprägt von Gewalt, Drogen und Tot. Denken Sie mal drüber nach!

Der erste Stopp war ein einziges Chaos, wir und die Polizei schafften es nicht Ordnung in die Menschenmenge zu bringen, was bei so einem Einsatz aber extrem wichtig ist, vor allem um die Kleinen und Schwachen nicht zu benachteiligen. Als es dann zu einem Gerangel kam und die Polizei die Leute mit Schlagstöcken zurückdrängen musste, brachen wir den Halt ab und fuhren weiter.
Die nächsten Stopps verliefen gottseidank geordneter. Auch weil die Polizei nun stärker unterstützte. In zwei Reihen, eine für Männer und die andere für Frauen und Kinder wurden nun Becher mit Trinken und Sandwichs verteilt. Herausfordernd war hierbei das Einhalten der "Eine Person/Ein Pack"-Regel. Selbst wenn man gesehen hat, dass es die Person mehr als nötig hat, musste man hart bleiben. Lediglich bei Kindern machten wir hin und wieder eine Ausnahme. Die ersten 3 Stopps über war meine Aufgabe von der Ladefläche aus für Nachschub zu sorgen. Beim letzten Stopp war ich dann vorne mit an der Front. Und glauben Sie mir, ich habe in die tiefsten Abgründe des menschlichen Wesens geblickt oder zumindest in seine Augen. Mit Sicherheit kann man sagen, das 80-90% der Erwachsenen stark Abhängig sind. Offene Wunden und Gestank dominierten die Szenerie. Es fiel mir teilweise schwer den mir gegenüber als Menschen zu sehen. Insbesondere wenn kein Funken geistiger Anwesenheit mehr wahrgenommen wurde. Auch diesen Menschen will ich keine Schuld an ihrem Schicksal geben, wer weiß wie es dazu kam. Doch müssen unter solchen Bedingungen Kinder aufwachsen? Muss das denn wirklich sein? Warum hilft denn niemand? Es gibt Erzählungen aus dem Viertel die mich an der Menschlichkeit zweifeln lassen. Und nein das sind keine Horrormärchen! Leider...

Letztes Jahr zum Beispiel, wurde eine 12-Jährige verhaftet, weil sie ihren Freier, der nicht bezahlte, umbrachte. Eine 12-Jährige verkauft ihren Körper und tötet wegen umgerechnet einen paar Euros. Eine von vielen Taten, die das Viertel schreibt.
Gegen Abend endete dann auch die Aktion. Leider aber auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Passend zu unserer Stimmung fing es auf dem Rückweg an zu Regnen. Und während der Dreck von der Straße gespült wird, bleiben die Probleme im Viertel. Wahrscheinlich noch für eine lange Zeit...Trotz all der Negativität die Ich an diesem Tag erlebt habe, muss Ich sagen, dass ich dankbar dafür bin. So etwas regt zum Nachdenken an. Vielleicht kann ich ja auch dich zum Nachdenken anregen. Nächstes Mal wenn du dich über dein "Scheiß Leben" aufregst denkst du vielleicht an die vergessenen Kinder von Sucre und merkst, dass es dir eigentlich gar nicht so schlecht geht.

In diesem Sinne einen schönen Samstagmorgen geliebtes Deutschland.

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